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Vortrag

Herr Prof. Dr. Dr. Paul Müller ist ein international anerkannter Geobiologe, u.a. Inhaber des Bundesverdienstkreuzes und ehemaliger Berater der Bundesregierung (Anm. d. Red.)

Pressebericht von Sabine Weinbeer:

Untersteinbach. „Der Wandel ist das Natürliche, in der Evolution gibt es keine Gleichgewichte sondern den ständigen Prozess der Anpassung“, das war die Kernaussage von Prof. Dr. Paul Müller am Freitag in Untersteinbach. Der Biogeograph von der Universität Trier kennt den Steigerwald seit 1969 aus verschiedenen Forschungsprojekten und hielt das Fachreferat bei der Jahreshauptversammlung des Vereins „Unser Steigerwald“. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, dass er in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ein Nationalpark für nicht praktikabel hält.
Professor Dr. Müller zeigte auf, dass sich Arten meist nicht an die theoretischen Waldschutzmodelle halten und dass ein Naturschutz in Form einer „Glasglocke“ nicht funktioniert. Es gehe vielmehr darum, die regionaltypische Biodiversität in einer gewachsenen Kulturlandschaft zu verstehen und zu fördern – und zwar überall. Das scheine der Bund Naturschutz allerdings nicht in den Vordergrund zu stellen, sonst würde Dr. Weiger nicht immer auf die staatlichen Fördermittel hinweisen.
Leider, so der Professor, zeige sich bei allen bisherigen Nationalparks und Biosphärenreservaten in Deutschland, dass vorher gemachte Versprechungen nach wenigen Jahren gebrochen werden. In dem bisherigen Ablauf im Steigerwald zeige sich ganz deutlich, dass „die Demokratie gefährdet ist, weil der freie Bürger lächerlich gemacht wird. Wenn Sie das merken, müssen Sie aufstehen“, forderte er die Vereinsmitglieder auf.
Ohne Zweifel seien einige Nationalparks einmalige Landschaften, die durch den Schutz womöglich vor Zerstörung bewahrt wurden. Allerdings funktioniere keiner von ihnen ohne Regulation. Er selbst sei im Krüger-Nationalpark dabei gewesen, als im Dienst des Naturschutzes hundert Elefanten geschossen wurden. Deshalb stelle sich die Kernfrage des Naturschutzes: „Dynamik oder Konservierung“.
Professor Müller wandte sich auch gegen die Behauptung des massenhaften Artensterbens. Gerade in Europa seien die meisten Arten vor dem Ersten Weltkrieg ausgestorben. Die meisten Arten, die heute im Steigerwald geschützt werden sollen, seien Einwanderer und sie würden mit dem Wandel des Erdklimas auch weiter wandern. Auch hielten sich die Arten kaum an die theoretischen Modelle. So fresse im Harz der eingebürgerte Luchs die Auerhühner. Wer die Selbstregulation zur heiligen Kuh erkläre, müsse auch ehrlich sagen, was dabei rauskomme. Doch niemand mache ein ernsthaftes Monitoring und stehe für Fehlentscheidungen gerade. Wenn man den Käfer Eremit zur prioritären Art erkläre, dann zögen eben alle anderen den Kürzeren – einschließlich der Interessen der Menschen. Biodiversität könne schließlich auch Risiken bergen. So gebe es im Steigerwald auch vier verschiedene Arten von Borreliose, einige seiner Mitarbeiter hätten sich hier infiziert, eine Doktorandin mit einer besonders aggressiven Form.
Prof. Müller bezeichnete es als Irrtum, dass der Artenreichtum in Nationalparks größer sei als in bewirtschafteten Wäldern. Das zeigten Untersuchungen seit den 70er Jahren. Ohnehin sei es in einem bevölkerungsreichen Land wie Deutschland nicht möglich, ein Einzelgebiet aus dem ökologischen Zusammenhang herauszulösen, deshalb könne es hier maximal Entwicklungs-Nationalparks geben.
„Das Zusammenspiel ist die Herausforderung“, stellte der Professor fest und forderte dazu auf, Nutzung und Schutz ins Blickfeld zu nehmen. In dieses Zusammenspiel könnte sich der Bund Naturschutz sehr positiv einbringen, doch offenbar stünden dem Profilierungs- und Finanzinteressen entgegen. Dem BUND hielt er vor, dass „eine glanzvolle Vergangenheit keine Garantie für eine gute Zukunft“ sei, denn die Gemeinsamkeiten von Schutz und Nutz des Steigerwaldes seien größer als es die Funktionäre vermuten ließen. Ein Nationalpark helfe „denen, die am lautesten schreien. Aber nicht der Biodiversität und den Menschen, die diese Landschaft aufgebaut haben“. Er forderte die Naturschutzverbände unverhohlen auf, sich „um die Natur zu kümmern, nicht um Denkmäler und ökologische Feigenblätter“.
Prof. Dr. Müller bat den Verein “Unser Steigerwald“, einzustehen für eine ökosystemgerechte Landnutzung zwischen Bamberg und Würzburg und dabei standhaft zu sein denn „wenn sie anfangen, sich aufweichen zu lassen, haben Sie schon verloren“. Das habe er hautnah im Nationalpark Eifel erlebt. Zur Lektüre empfahl er unter anderem die Dissertation von Nicole Schrader mit dem Titel „Die deutschen Biosphärenreservate auf dem Prüfstand“.

Bild:
Prof. Dr. Paul Müller referierte zum Thema Biodiversität beim Verein „Unser Steigerwald“, wofür die Vorstandsmitglieder herzlich dankten. Unser Bild zeigt von links Schriftführer Siegfried Ständecke, Prof. Dr. Paul Müller, die stellvertretenden Vorsitzenden Heinrich Thaler und Oskar Ebert und den Vorsitzenden Staatssekretär Gerhard Eck.

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