Fast alle Landräte, Bürgermeister, Forstwirtschaftler und Vertreter von Verbänden aus der Region Steigerwald waren am Freitag in aller Frühe nach Gerolzhofen geeilt, um sich anzuhören, was Forstminister Helmut Brunner zum Zentrum Nachhaltigkeit Wald zu sagen hatte. Die wichtigste Botschaft: Die bayerischen Staatsregierung wird für die im Januar beschlossene Einrichtung im Steigerwald drei Millionen Euro als Anschubfinanzierung bereitstellen.
Weitere Mittel zur Finanzierung sollen über einen lokalen Trägerverein aus den Programmen Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE) oder die Leader-Förderung sowie über Sponsoren aus der Wirtschaft akquiriert werden.
Ehrgeiziges Zeitfenster
Für das Nachhaltigkeitszentrum hatte Minister Brunner kein fertiges Konzept mit nach Gerolzhofen gebracht. Vielmehr sollen die Inhalte der Einrichtung von Verantwortlichen und Bürgern der Region gemeinsam erarbeitet werden. Dazu gab Brunner ein ehrgeiziges Zeitfenster vor. Bis zur Sommerpause des Landtags sollen beschlussreife Pläne vorliegen. „Wir werden gemeinsam ein Vorzeigeprojekt zum Thema nachhaltige Waldbewirtschaftung schaffen, das bundesweit seinesgleichen sucht und die gesamte Region voranbringt“, kündigte Brunner an.
Als Rahmenziele stellte der Minister neben der Dokumentation von Nachhaltigkeit im Waldzentrum auch die Schaffung von Räumen für Tagungen, Ausstellungen und Wissensvermittlung, die Funktion als touristisch attraktives Eingangstor in die Welt der nachhaltigen Forstwirtschaft und als Katalysator für wirtschaftliche Investitionen vor.
Ohne zunächst das Wort Nationalpark in den Mund zu nehmen, sagte Brunner, die Staatsregierung wolle etwas anbieten, das weder die Bevölkerung noch die Natur spaltet. Das Projekt solle der Bevölkerung das Bewirtschaftungsmodell zeigen, das es in den Augen Brunners als einziges schafft, alle Ansprüche an den Wald wie ökologische, ökonomische und gesellschaftliche zu vereinbaren: die nachhaltige Forstwirtschaft.
Mit nachhaltiger Forstwirtschaft ist gemeint, dass der Mensch nicht mehr vom Rohstoff Holz aus dem Wald herausnimmt als nachwächst. Im Nachhaltigkeitszentrum soll gezeigt werden, wie der Wald gleichzeitig geschützt und genutzt werden kann. Darüber hinaus soll es eine enge Vernetzung mit Gastronomie, Tourismus und Wirtschaft geben.
Warum der Steigerwald als Standort für das Projekt „Zentrum Nachhaltigkeit Wald“? In diesem Landstrich, so Brunner, haben die Menschen Nachhaltigkeit schon im Mittelalter in ihren Forstordnungen festgeschrieben. Sie sehen den Wald nicht nur als Holzproduzent, sondern auch als Lebensraum und wichtigen Teil ihrer Heimat. Nicht erst seit der Diskussion um den Nationalpark sei außerdem bekannt, dass es hier außergewöhnliche Waldbestände gebe, beispielsweise mit sehr alten Buchen. Georg Windisch, Leiter der bayerischen Forstverwaltung, nannte als Zielgruppen für das Waldzentrum Vereine, Verbände, Initiativen und Wirtschaftskreise, das Fachpublikum und Multiplikatoren, Familien und Kindergruppen sowie regionale und überregionale Touristen. Touristische Anziehungspunkte könnten ein Baumwipfelpfad, ein Kletterwald, eine Burg(-ruine) aus Holz, ein Tiergehege, ein Nachhaltigkeitsbaum, ein Baumhotel, eine Riesen-Baumrutsche und ein Kunstwald sein. Wolfgang-Günther Ewald vom Referat für Integrierte Ländliche Entwicklung schließlich hielte es für gut, wenn sich die drei schon bestehenden ILE-Verbünde Südlicher Landkreis Haßberge, Dorfschätze und Main-Steigerwald zusammenschließen und damit als Einheit den Steigerwaldraum abdecken würden.
Die Gastgeberstadt Gerolzhofen und ihre uralten Bezüge zum Wald stellte Zweiter Bürgermeister Erich Servatius in kurzen Zügen vor.
Gerhard Eck, Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, lobte das „parteiübergreifende Engagement“, das dieses Nachhaltigkeitszentrum möglich mache. Den Bund Naturschutz lud er ausdrücklich ein, bei der Gestaltung des Zentrums mitzuwirken. Dieses Zentrum ist im Grunde die Antwort auf den Vorstoß des Bund Naturschutz, im Steigerwald einen Nationalpark einzurichten. Das war bekanntlich auf heftigen Widerstand der Bevölkerung gestoßen. Die Staatsregierung kam schließlich zur Einsicht, eine derartige Einrichtung nicht gegen den Willen der Menschen des Landstrichs durchzudrücken. Der Grundgedanke des Nachhaltigkeitszentrums stammt vom Verein „Unser Steigerwald“, unter dessen Dach die Gegner des Nationalparks versammelt sind.
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Finster